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Was bedeutet Fasten?


16.03.2019

In der heutigen Zeit erleben viele orthodoxe Christen das Fasten als körperliche Herausforderung oder Nahrungsumstellung.

Manche verwechseln es sogar mit den beliebten Diäten.

Aber das Fasten ist eine mehrdimensionale Einrichtung, die sowohl persönlichkeitsbezogene wie sakramentale Funktionen hat.
Das Fasten, so wie es vom Herrn selbst dem Menschen gegeben wurde, hat eine körperliche und geistige Komponente, wobei die geistige zielführend und wichtiger ist die körperliche, und die körperliche ist quasi im Dienst der geistigen.

Das Ziel des körperlichen Fastens ist, dass der Mensch Disziplin lernt, um in der Lage zu sein, sich von den Dingen loszusagen, die sein Körper verlangt bzw. die seine Gewohnheiten darstellen. Demnach ist das Fasten eine Art Training für unseren Geist, für unsere Persönlichkeit, um das Ziel zu erreichen, dass unser Geist über unseren Körper herrscht.

Aber warum soll unser Geist über den Körper herrschen?

Unser Körper, von Gott uns gegeben, ist für sich genommen nicht sündig, aber die Versuchungen, die für uns schädlich sein können, kommen in erster Linie aus dem körperlichen Bereich, wir nennen sie Leidenschaften. Die Leidenschaften entfernen uns vom Wesentlichen des Lebens und schaden unserer Seele, oft sagen wir, dass wir uns versündigt haben, wenn das oder jenes getan haben. Wenn beispielsweise ein Mensch zu viel Alkohol trinkt, dann unterliegt er der Leidenschaft der Trunksucht, was seinem Körper schadet, der ihm von Gott geschenkt wurde, aber noch mehr schadet er seiner Seele, denn die Leidenschaft der Trunksucht entzweit uns von Gott und von Menschen. Als orthodoxe Christen wissen wir nämlich, dass wir uns durch die Menschen und durch Christus d. h. durch die Hl. Dreiheit, retten. Demnach muss der Mensch, um in der Lage zu sein sich gegen die Versuchungen und Leidenschaften zu wehren, seinen Geist trainieren und disziplinieren, und das machen wir über das körperliche Fasten.

Wie sollte das körperliche Fasten sein?

Unsere Kirche schreibt entsprechende Regeln vor, die die Art des Fastens betreffen. Das strenge Fasten sieht vor, dass der orthodoxe Christ auf Wasser fastet, was bedeutet ohne Öl und Fisch. Aber dies sind die Regeln, die uns aus den Mönchsvorschriften kommen und die mit einem klösterlichen Leben verbunden sind. Dieses Fastenniveau stellt sozusagen die finale Stufe der körperlichen Übung und der geistigen Anstrengung dar. Die Mehrheit der heutigen orthodoxen Bevölkerung besitzt nicht diese geistige Stärke noch die körperliche Ausdauer, denn so eine Art des Fastens war zumeist nicht Teil des Lebens von Kindesbeinen an. Die Menschen sind generell gewöhnt an Komfort und gehen zu großen Opfern aus dem Weg.

Aber, damit jeder orthodoxe Christ dieses geistige Niveau und die körperliche Stärke erreicht, muss er Schritt für Schritt sich diesem Level annähern. Kein Sportler, der ein paar Wochen trainiert wäre in der Lage an den Olympischen Spielen teilzunehmen. So auch jemand, der nur wenig oder gar nicht gefastet hat, kann nicht über Nacht eine 40-tägige Fastenzeit auf Wasser absolvieren. Es besteht hier die große Gefahr, dass er nicht mal eine Woche aushält und dann komplett das Fasten beendet. Aus diesen Gründen sollte der Mensch überhaupt erstmal beginnen zu fasten, selbst wenn er am Anfang Öl und Fisch verwendet, um mit der Zeit dann die Strenge des Fastens zu intensivieren und somit die geistige und körperliche Stärke zu steigern. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns das Fasten das ganze Leben begleitet und es sollte uns ein nützliches Korrektiv sein, für unsere geistige und körperliche Reife. Daher gibt es kein Grund für übermäßiges Eilen und Überspringen von geistigen Stufen. Auch hier sollte die Ruhe unsere Hauptleitfigur sein.

Was ist dann geistiges Fasten?

Gott hat uns Menschen aus Liebe geschaffen und wegen dieser für uns unergründlichen Gottesliebe, wurde uns die Möglichkeit gegeben mit Gott in einer Gemeinschaft zu leben d. h. der Vergöttlichung hinzustreben und das ewige Leben zu erreichen. Aber um mit Gott und den Menschen in einer Gemeinschaft leben zu können, muss der Mensch eine reife Persönlichkeit sein. Selbst der Herr hat als Gottmensch in der Wüste 40 Tage gefastet, und hat uns so gezeigt, wie auch wir unseren Körper und unseren Geist für den Weg zu Gott stärken können, wie auch als Verteidigung gegen die Versuchungen des Teufels.

Wie werden wir zu reifen Persönlichkeiten?

Das geistige Fasten gibt uns die ideale Möglichkeit unsere Reife, und damit unsere Persönlichkeit, zu formen. Als erster Stelle müssen wir hier die Ehrlichkeit festhalten. Da wir uns in der Fastenzeit auf das Hl. Mysterium der Beichte vorbereiten, sind wir aufgerufen unsere Ehrlichkeit zu entwickeln. Der Mensch muss, um sich selbst kennen zu lernen und sich selbst zu akzeptieren, mit allen seinen Schwächen und Tugenden, ehrlich zu sich sein. Das ist der erste Schritt zur Reifung und Persönlichkeitsbildung in uns. Wir sind nicht in der Lage gegen unsere Schwächen zu kämpfen, die wir alle haben, bis wir sie uns zugeben, und gleichzeitig sollten wir uns nicht für diese Schwächen verurteilen. Erst wenn wir einen Fehler identifiziert und als Fehler akzeptiert haben, werden wir in der Lage sein, diesen schrittweise zu überwinden d. h. zu besiegen. Kein Alkoholiker wird das Trinken beenden bis er sich nicht eingestanden hat, dass er wirklich ein Problem mit dem Alkohol hat. So sind auch wir nicht in der Lage an unseren Schwächen zu arbeiten ehe wir sie nicht finden und als Teil von uns akzeptieren d. h. bis wir sie uns zugeben.

Demnach gibt uns das geistige Fasten die Möglichkeit uns intensiv und konzentriert mit unseren Schwächen zu beschäftigen, um sie zu finden, sie zu benennen und sie zuzugeben. Und dann, im nächsten Schritt, sind wir aufgerufen diese Schwächen (Sünden) vor Gott im Hl. Mysterium der Beichte zu bereuen. Aus diesen Gründen hat ein Fasten ohne Beichte keinen Sinn, denn ohne geistige Selbstanalyse gibt es keine ehrliche Beichte. Aber genauso bringt eine Beichte ohne vorheriges intensives Fasten, wie wir schon gesagt haben, keine gewünschten Resultate der innerlichen Verklärung und der tiefen Auseinandersetzung mit unseren Schwächen.

Zum Schluss sein nochmals erwähnt, dass das Fasten sich nicht selbst genügt, noch ist das Fasten eine isolierte Übung oder Ritual. Das Fasten ist im Dienst unserer Selbstreifung, unserer Selbstdisziplin und unserer Persönlichkeitsbildung. Wenn wir das Fasten auf diese Weise begreifen und annehmen, dann wird das Fasten unserem Körper, aber am meisten unserem Geist nutzen.

Mirko D. Kolundzic